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Mit Markterkundung innovative Sozialunternehmen entdecken

Eine Markterkundung bietet die Möglichkeit, mit Ihrem Markt in einen Dialog zu kommen. Dabei bekommen Sie die Möglichkeit, sich einen Überblick über die vorhandenen Alternativen zu verschaffen: Was gibt der Markt überhaupt her? Gibt es innovative und nachhaltige Alternativen zu Standardprodukten? Existieren regionale Anbieter und welche Art von Produkten und Lieferumfänge kann man von ihnen erwarten? Auf dieser Seite finden Sie Anregungen für die Durchführung einer Markterkundung.

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Foto von Kobu Agency

Die Markterkundung ist nach der Bedarfsfeststellung und Vorgehensplanung der nächste große Schritt eines Beschaffungsprozesses. Die vorab gesetzten Ziele und Anforderungen werden hier verfeinert und potenzielle Anbieter:innen sowie Lösungen identifiziert.

Insbesondere wenn sich die Vergabe auf relativ spezielle oder komplexe Beschaffungen bezieht, lohnt sich eine Markterkundung. Denn so können Sie sich als Auftraggeber:in einen besseren Überblick verschaffen, welche Leistungen bzw. Möglichkeiten zur Problemlösung in der Praxis existieren. Vergabekritische Punkte, wie ökologische oder soziale Anforderungen, können so in vergleichsweise kurzer Zeit geklärt werden. Für die Erkundung innovativer und nachhaltiger Lösungen wird durch eine Markterkundung klarer, welche Möglichkeiten realistisch sind und es können auch Stellschrauben identifiziert werden, die bestimmte Bieter:innen von der Angebotsabgabe abhalten, z.B. Losgrößen und Lieferumfänge.

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Wie läuft eine Markterkundung ab?

Häufig bestehen Unsicherheiten über die rechtssichere Durchführung von Markterkundungen. Dabei sind Auftraggebende relativ frei in der Durchführung, solange sie in einem tatsächlichen Vergabeverfahren mündet, transparent abläuft und den Wettbewerb nicht einschränkt. Für das Verfahren relevante Informationen müssen stets allen potenziellen Bietenden zugänglich gemacht werden. Die Teilnahme an Markterkundungsaktivitäten muss ebenfalls allen Interessierten offen stehen und darf potenziellen Bietenden keine Vorteile im Vergabeprozess verschaffen. Ergebnisse sowie Besprechungsinhalte müssen dokumentiert werden.

Im Folgenden finden Sie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Markterkundung.

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Welches Produkt bzw. für welches Problem soll eine Lösung beschafft werden? (siehe funktionale Leistungsbeschreibung) Welche Informationen zum Markt und zu potenziellen Lösungen werden benötigt?

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Möglicherweise liegen allgemeine oder spezifische Anforderungen vor, die über den Beschaffungsgegenstand hinausgehen. Dies können beispielsweise strategische Vorgaben der Amtsleitung oder Politik sein, die berücksichtigt werden sollten, wie ein Ratsbeschluss zu nachhaltiger Beschaffung.

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Eine erste Marktrecherche dient der Verschaffung eines Überblicks, der Identifikation vorhandener Lösungen, der Definition von Schlüsselakteur:innen und möglichen Anbieter:innen. Hierfür ist vor allem eine Internetrecherche sinnvoll, beispielsweise auf Unternehmenswebsites, in Herstellerdatenbanken, Patentdatenbanken oder wissenschaftlichen Publikationen. Aber auch die Ansprache von Branchenverbänden oder Messebesuche können hierbei helfen

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Informationen können beispielsweise durch Befragung von Sachverständigen, Behörden oder Marktteilnehmer:innen eingeholt werden. Hierfür kommen Methoden infrage wie schriftliche Angebote und Umfragen; Workshops, Seminare oder Fokusgruppen (mit Anbieter:innen, mit Bürger:innen); Einzelgespräche mit einer vorher festgelegten Zahl von Anbieter:innen; Beobachtung vor Ort; etc.

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Mit einer Vorabinformation soll der Markt über eine anstehende Markterkundung informiert werden. Unternehmen werden dazu aufgefordert, ihr Interesse an einer möglichen Ausschreibung zu signalisieren und sich bei Bedarf an Beratungsgesprächen zu beteiligen. Dabei sollte der Zweck der Markterkundung, sowie bereits möglichst umfangreiche Informationen bzgl. Voraussetzungen, Anforderungen, Einsatzgebiet und erwarteter Leistung übermittelt werden. Auch der Ablauf des Prozesses (Art der Aktivitäten bzw. der angeforderten Informationen, Zeitpunkt, Umfang, Dauer, etc.) sollte bereits klar gemacht werden. Durch hohe Transparenz wird Wettbewerbsbeschränkung vermieden.

 

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Ankündigungsschreiben und Vorabinformationen werden über relevante Kommunikationskanäle an Marktakteur:innen mitgeteilt. Hier kann neben der Kommunikation auf der eigenen Webseite z.B. der direkte Kontakt zu bereits bestehenden Kontakten und potenziellen neuen Zulieferern gesucht werden oder Vergabeportale genutzt werden. Wichtig sind hier Transparenz (klare Angaben zum Ablauf der Beratungsaktivitäten) und Freiwilligkeit (durch Nichtteilnahme an der Markterkundung entsteht kein Nachteil beim Vergabeverfahren). Außerdem sollte ausreichend Vorlauf eingeräumt werden und darauf geachtet werden, dass genügend Aufmerksamkeit auch außerhalb der üblichen Zuliefererbasis geweckt wird, sodass umfassendes Markt-Feedback eingehen kann.

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Anschließend werden die Markterkundungsaktivitäten laut Plan durchgeführt. Es ist nicht notwendig und in der Regel auch nicht möglich, alle am Markt aktiven Anbieter:innen in das Verfahren einzubeziehen, um relevante Trends auf dem betreffenden Markt besser zu verstehen. Jedoch müssen jeweils mehrere Marktteilnehmer:innen in diesen Prozess mit einbezogen werden. Andernfalls würden Kommunen gegen Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Wettbewerbsverzerrung verstoßen. Auch müssen allen befragten Unternehmen die gleichen Informationen zukommen.

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Nach Abschluss der Markerkundungsphase müssen die Ergebnisse aufbereitet und alle Kontakte dokumentiert werden. Die Analyse der Daten bildet die Grundlage für die Erstellung einer Leistungsbeschreibung. Die gesammelten Daten können anonymisiert in Ausschreibungen als Referenz erscheinen.

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Als letzter Schritt sollten relevanten Ergebnisse der Beratungsrunden publiziert werden, um Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen. Dabei ist auf Vertraulichkeit zu achten.

Beispiele für Markterkundungsformate

  • Messebesuch

    Messebesuche lohnen sich vor allem in einer frühen Phase der Markterkundung. Sie ermöglichen sowohl einen Überblick über vorhandene Lösungen und Schlüsselakteur:innen, als auch das Führen von Einzelgesprächen. Dabei ist es nicht notwendig, Einzelgespräche mit allen Anbietenden zu führen, aber die Gespräche sollten zu Transparenzzwecken dokumentiert werden. Messen können in Online-Portalen eingesehen werden. Dabei lohnt es sich auch, regionale Messen zu besuchen, um potenzielle regionale Alternativen kennenzulernen.

    Online-Portal zur Messe-Suche
  • Schriftliches Angebot

    Durch die Veröffentlichung einer Vorabinformation können Vergabestellen potenzielle Anbietende zur Abgabe unverbindlicher schriftlicher Angebote auffordern. Häufig wird dabei eine Vertraulichkeitsvereinbarung geschlossen, um sensible Daten zu schützen. Die erhaltenen Informationen dürfen außerdem nicht dazu führen, dass Anbietende von der eigentlichen Ausschreibung ausgeschlossen werden. Neben Details zum Produkt bzw. zur Dienstleistung und den Kosten können sozial-ökologische Kriterien abgefragt werden (siehe unten für eine Auswahl).

  • Workshops

    Im Rahmen von Workshops und Fokusgruppen kann der offene Dialog mit potenziellen Zuliefernden gesucht werden. Dabei können auf effiziente Weise wichtige Fragen geklärt werden. Technische oder preisliche Details, sowie andere vertrauliche Informationen werden hier üblicherweise nicht ausgetauscht.

  • Einzelgespräche

    Persönliche Einzelgespräche mit potenziellen Bietenden können sehr effektiv sein und sind zulässig, sofern sie nicht zu Wettbewerbsverzerrung führen. Dafür ist es im Prinzip der Gleichbehandlung nötig, mit mehreren potenziellen Bietenden zu sprechen und infolge der Gespräche weder Ausschluss noch Bevorzugung bestimmter Bietender zuzulassen. Zudem dürfen Teilnehmenden keine Informationen zugänglich gemacht werden, die nicht auch alle anderen Bietenden erhalten. Zur Sicherstellung der Transparenz sollten die Gespräche dokumentiert und relevante Ergebnisse veröffentlicht werden (unter Sicherstellung von Vertraulichkeit).

Wie kann eine Markterkundung (regionale) Sozialunternehmen berücksichtigen?

Recherche in einschlägigen Publikationen und Datenbanken: Für soziale und nachhaltige Unternehmen existieren z.B. Branchenbücher für Sozialunternehmertum (Link) oder die Mitgliederliste des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (Link).

Besuch von (regionalen) Messen: Bei Messebesuchen kann eine regionale Orientierung helfen, Alternativen mit kurzen Transportwegen zu finden, um CO2 zu sparen und den ökologischen Fußabdruck zu verbessern.

Sozial-ökologische Kriterien abfragen: Sozial-ökologische Kriterien können im Rahmen der Markterkundung erfragt werden oder als Voraussetzung zur Teilnahme an Markterkundungsaktivitäten definiert werden. Denkbar sind hier unter anderem:

  • Warmhaltezeiten bei Essensversorgung oder Anreisezeiten für Instandhaltung, da kurze Wege CO2-Emissionen einsparen können
  • Informationen für die Errechnung der Lebenszykluskosten von Produkten (z.B. Anschaffungs-, Energie- & Wartungskosten)
  • Informationen über positive Umwelteinflüsse (weniger Verschmutzung, Lärm, Entsorgung, etc.)
  • Informationen zu vorhandenen Qualitätsmarkern wie Siegeln oder Gütezeichen, z.B. bio Brandenburg. Gesicherte Qualität für Nachhaltigkeit und Regionalität. Eine Übersicht verbreiteter Gütezeichen findet sich im Kompass Nachhaltigkeit.
  • Erklärung zur Frauenförderung oder Unterstützung benachteiligter Gruppen

Veröffentlichung an möglichst breite Öffentlichkeit: Durch eine vermehrte Streuung der Vorabinformation zur Markterkundung über Vergabe-Portale und regionale Publikationen, nicht nur an bisherige Bieter:innen, kann eine stärkere Diversität der Beteiligten erreicht werden.

Strategische nachhaltige Beschaffung: Um sicherzugehen, dass im Rahmen einer Markterkundung sozial-ökologische Alternativen in Betracht gezogen werden, können strategische Vorgaben zur Beschaffung sinnvoll sein und Beschaffer:innen Sicherheit für das eigene Vorgehen geben, z.B. eine Dienstanweisung zur nachhaltigen Beschaffung.

Testen Sie Ihr Wissen zur Markterkundung

Welche Aussage stimmt?

Markterkundung ist laut Vergaberecht generell nicht zulässig, da es hierbei zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs kommen kann.
Falsch!

Laut § 28 Abs. 1 VgV sind Markterkundungen grundsätzlich zulässig, sofern ihre Durchführung nicht zum Selbstzweck verkommt. Sie können zur Vorbereitung einer Auftragsvergabe eingesetzt werden und um Unternehmen über anstehende Auftragsvergaben und deren Anforderungen zu informieren.

Ich habe das Produkt schon mal ausgeschrieben und weiß, dass es nur einen Anbieter gibt, also muss ich keine Markterkundung mehr betreiben.
Falsch!

Märkte und die Lösungen, die sie anbieten, entwickeln sich ständig fort. Nur durch wiederholte Markterkundung, gerade für komplexe Aufträge, kann sichergestellt werden, dass aktuelle Produkte und alle potenziellen Bewerber:innen einbezogen werden. Neue Akteure treten in einen Markt ein und immer wieder entstehen innovative Lösungen, die Probleme schneller, einfacher und nachhaltiger lösen, als ihre Vorgänger.

Die Durchführung von Vergabeverfahren lediglich zur Markterkundung ist unzulässig.
Richtig

Kommunen dürfen kein Vergabeverfahren kommunizieren, ohne dass tatsächlich eine Auftragsvergabe vorgesehen ist. Dient eine Markerkundung nur dazu, einen besseren Überblick über die Angebote und Lösungen auf dem Markt zu erhalten, ist diese tatsächlich unzulässig.

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Partner und Förderung

Der Impulsgeber Vergabe ist Teil des „Modellprojekts zur Verbesserung des Gründerökosystems für Sozialunternehmen in Brandenburg“. Hier entwickeln wir Lösungsansätze und Ideen, mit dem Ziel, die Gründungsinfrastruktur für Sozialunternehmer:innen im ländlichen Brandenburg zu verbessern. Auf diese Weise wollen wir einen Beitrag leisten, sozial-ökologische Herausforderungen in Brandenburg zu adressieren.

Gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes Brandenburg.