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Berlin
Ein Bieterdialog für mehr Fairtrade in der Schulspeisung in Berlin

Der groß angelegte Bieterdialog der Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg vereinte Politik, Zivilgesellschaft und Unternehmen für einen spannenden Dialog zum Thema nachhaltige und faire Beschaffung für das Schulessen in Berlin.

Der Faire Handel eignet sich wunderbar, nicht nur politische Verhältnisse zu verändern, sondern um Menschen Handlungsoptionen zu geben.

Oliver Schruoffeneger, Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf über den Bieterdialog

Im Rahmen des Bieterdialogs in Berlin wurde zum ersten Mal sozial-verantwortliche Beschaffung als Verpflichtung im Schulessen in dieser Form diskutiert. Breite Beteiligung mit Catering-Unternehmen, der Zivilgesellschaft und Politik kamen zu einem konstruktiven Ergebnis für die Beschaffung von Fairtrade Produkten für die Berliner Schulspeisung.

Die Herausforderung

Im Rahmen der Berliner Mittagsverpflegung in der Schule werden monatlich rund 30.000 kg Reis und fast eine halbe Millionen Bananen eingesetzt. Die Stadt Berlin und die Berliner Bezirke setzen sich dafür ein, dass diese Produkte ausschließlich aus fairem Handel bezogen werden, sofern sie aus dem Globalen Süden stammen.

Die Stadt Berlin hat mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie unter anderem ein Anliegen darin, den fairen Handel auch in ihrem Einkauf zu berücksichtigen. Daher sollten Catering-Unternehmen ab dem Schuljahr 2020 / 2021 verpflichtet werden, bestimmte Produkte nur noch aus fairem Handel zu beziehen. Mit dem einem breit angelegten Bieterdialog sollten alle Beteiligten vorab informiert werden und dabei helfen, eine neue Musterausschreibung für die nachhaltige und faire Beschaffung des Berliner Schulmittagessens mitzugestalten.

Eine Papiergirlande wird hochgehalten

Hintergrund für den Bieterdialog

Für 4 bis 5 fünf Milliarden Euro beschafft das Land Berlin jedes Jahr Liefer-, Bau- und Dienstleistungen. Das Land trägt mit diesen Ausgaben eine große Verantwortung und hat unbestritten eine große Marktmacht. Deshalb legt das Land Berlin ein besonderes Augenmerk auf eine umweltverträgliche Beschaffung, um als Vorbild im Einkauf voran zu gehen. Nach §7 Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz sind öffentliche Auftraggeber auch dazu verpflichtet, „bei der Vergabe von Aufträgen ökologische Kriterien zu berücksichtigen.“

 

Hintergrund für den nötigen Bieterdialog war eine Überarbeitung der Musterausschreibung für das Schulmittagessen Mitte 2019. Ab dem Schuljahr 2020/2021 sollten für ausgewählte Produktgruppen nicht nur die ILO-Kernarbeitsnormen, sondern darüber hinaus auch die Kriterien des Fairen Handels in Anlehnung an die EU-Definition (KOM (2009) 215) gefordert werden.

Als Nachweis über diese Kriterien sollten ab 2022 ausschließlich unabhängige Gütezeichen (Fairtrade) akzeptiert und Eigenerklärungen ausgeschlossen werden. Diese Veränderungen sind von großer Relevanz für Bieter:innen und Lieferant:innen, welche an öffentlichen Ausschreibungen zur Schulspeisung teilnehmen.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte hatte der Bieterdialog?

Mit dem Bieterdialog wollte das Land Berlin insbesondere auf die Grundproblematik der Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette von bestimmten Produkten wie Bananen, Ananas und Reis hinweisen und Beispiele einer sozial-nachhaltigen Beschaffung diskutieren. Auf der Agenda standen dementsprechend Sozialstandards und Gütezeichen, die im Rahmen der zukünftigen Ausschreibung angwendet werden sollten. Darüber hinaus wurde der aktuelle Vorschlag der für Zertifikats-Kontrollen einzureichenden Unterlagen vorgestellt, diskutiert und mit den Teilnehmenden abgestimmt. Zusätzlich wurden im Rahmen des Bieterdialogs Catering-Unternehmen über den neuen Kontrollturnus informiert. Es war bundesweit das erste Mal, dass die sozial-verantwortliche Beschaffung von Schulessen im Rahmen eines Bieterdialogs diskutiert wurde. Damit nimmt Berlin eine Vorreiterrolle für dieses Thema ein.

Ein Workshop mit mehreren Menschen

Wie war der Bieterdialog gestaltet?

Um diese Neuerungen und den Aufbau nachhaltiger Lieferketten mit Catering-Firmen, Händler:innen und Importeur:innen zu diskutieren, luden die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und der Nichtregierungsorganisation Christliche Initiative Romero am 20. August 2019 zum Bieterdialog zur sozial-verantwortlichen Beschaffung des Berliner Schulmittagessens ein.

 

Rund 60 Vertreter:innen aus Catering-Unternehmen, Zulieferern (Großhändler:innen und Importeur: innen), Zwischenhändler:innen, Schulämtern (Vergabestellen), Verwaltungen und Zertifizierer:innen nahmen am Dialog teil. Hauptsächlich besuchten Unternehmen aus dem Raum Berlin / Brandenburg die Veranstaltung, aber auch überregionale Vertreter:innen, wie etwa von Metro waren dabei.

Ein spannender Dialog als 4-stündiges Programm mit folgenden Vorträgen und Diskussionen

 

  1. Eröffnung und Grußworte „Sozial-verantwortliche Beschaffung konkret: Das Berliner Schulmittagessen wird fairer“ (Ines Rackow von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Dr. Jürgen Varnhorn von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Mitglieder des Abgeordnetenhauses Dr. Ina Czyborra (SPD) und Georg Kössler (Bündnis 90 / Die Grünen), Oliver Schruoffeneger, Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, Clara Herrmann, zuständige Stadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg)
  1. Vortrag: Menschenrechtsverletzungen im konventionellen Anbau und Beispiele nachhaltiger Lieferketten für Reis und Bananen. Maria Armas, Ethiquable eG berichtete von ihren Erfahrungen im Fairen Handel und zeigte die Notwendigkeit für besondere Standards am Beispiel Reis auf.
  1. Vortrag: Rudi Pfeifer, Banafair e.V. berichtete von der menschen- und arbeitsrechtlichen Situation in der Bananenindustrie anhand der m Beispiele Guatemala und Costa-Rica.
  1. Referat von Tabitha Triphaus, Christliche Initiative Romero e.V., informierte in ihrer Präsentation über Sozialstandards und Nachweispflichten, die zukünftig in der Musterausschreibung für die Vergabe des Berliner Schulmittagessens gefordert werden.
  1. Helena Jansen, Koordinatorin für Kommunale Entwicklungspolitik im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, erläuterte anschließend die Verfahren zur Nachweisführung der Kriterien für den Einkauf fairer Produkte in der Schulverpflegung.
  1. Diskussion: „Umsetzung der in der Ausschreibung geforderten Nachweispflichten.“ Zum Vorschlag für das Vorgehen und insbesondere die Nachweiskontrolle (s. Punkt 4) wurde im Rahmen des Bieterdialogs die Meinung sämtlicher beteiligter Akteur:*innen eingeholt und der Vorschlag abgestimmt. Es durften Fragen und Einwände geäußert werden, jedoch gab es das neue Verfahren betreffend kaum kritische Punkte.

Welche Ergebnisse gab es nach dem Bieterdialog?

Nach jedem fachlichen Input war Gelegenheit zur Diskussion und zu einem Erfahrungsaustausch. Einig war sich die Runde am Ende, dass eine nachhaltige Beschaffung einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Klimaschutz leistet und daher Strukturen geschaffen werden sollten, um diese weiter zu fördern.

Der Catering-Verband hatte vor der Veranstaltung ein Handout mit der Musterausschreibung erhalten, um sich vorbereiten zu können. Im Bieterdialog selbst prüften die rund 60 Personen aus dem Catering-Bereich und Großhändlerbetrieben, Akteur:innen des Fairen Handels und Importeur:innen die künftigen Anforderungen auf Machbarkeit und kamen dabei durchweg zu positiven Ergebnissen.

Im letzten Statement am Ende der Veranstaltung konnte der Catering-Verband im Namen aller bestätigen, dass eine Marktabdeckung mit den angefragten Mengen möglich ist und, dass die Produkte mit den angefragten und für die Vergabe relevanten Gütezeichen auch verfügbar sind. Es kamen keine kritischen Stimmen. Allerdings war das Feedback zur Veranstaltung sehr positiv, da sie einen Rahmen für Austausch schaffte, der sonst selten möglich ist.

Die Beteiligten hatten hier die Möglichkeit auch Bericht über den aktuellen finanziellen Status Quo des Catering-Bereiches (steigende Energiekosten und höhere Einkaufspreise z.B.) zu berichten. Neben diesem Austausch war auch die Einrichtung einer Kompetenzstelle für faire Beschaffung seitens der Expert:innen in der Runde vorgeschlagen worden. Diese hätte die Aufgabe, Ausschreibende zu beraten, durch Fortbildungsangebote zu schulen und praxisgerechte Hilfestellungen zur Verfügung zu stellen.

Tipps und Erfahrungen aus dem Bieterdialog

Gewonnene Erkenntnisse

1

Eine Moderation, die sich im Thema auskennt, ist ein Muss. Diese sollte Bedenken und Kommentare durch die Gäste einzuordnen wissen und auch Fragen dazu beantworten können. Vergabe ist ein sehr spezielles Thema, das nicht jede:r versteht, das betrifft unter Umständen auch die Moderation.

2

Bei großen Bieterdialogen wie diesem, ist es ratsam lange vorab zu planen (4-6 Monate), damit alle Geladenen dabei sein können. Einladungen sollten über die zum Thema passenden Verbände gestreut werden. Kleinere Bieterdialoge mit bis zu 15 Gästen können dagegen mit 1-2 Monaten Vorlaufzeit terminiert werden.

3

Es sollte unbedingt vorab gefragt werden, wann die betroffene Berufsgruppe ihre Kernarbeitszeiten hat, damit diese auch kommen kann. Es sollte auch geprüft werden, ob im anvisierten Zeitraum Termine liegen, die die angesprochene Zielgruppe gehäuft besuchen wird (Messen, Ausstellungen etc.). Damit sichern Sie ab, dass die meisten potenziellen Teilnehmer:innen zum Termin auch verfügbar sind.

4

Es ist ratsam über die Inhalte und die Agenda schon vorab mit Vertreter:innen der angesprochenen Zielgruppen abzustimmen. Dieses Vorgehen kann bedeutsame zusätzliche Impulse geben, um den Bieterdialog effizienter und informativer auszugestalten.

5

Im Nachgang an den Bieterdialog betonte Clara Herrmann, zuständige Stadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg, dass nur durch die Kooperation von Akteur:innen aus allen relevanten Bereichen das große ökonomische Steuerungspotenzial der Berliner Verwaltung für eine sozial-verantwortliche Beschaffung ausgeschöpft werden kann. Insbesondere als Fairtrade-Bezirk ist es wichtig, die Erfahrungen in der fairen Beschaffung zu teilen und auf diese Weise bezirksübergreifend Impulse zu setzen. Das lässt sich auf viele andere Bieterdialoge, auch in kleinerer Form übertragen. In Berlin waren 60 verschiedene Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und aus Unternehmen eingeladen.

6

In dem hier vorgestellten Bieterdialog haben mehrere Senatsverwaltungen, wie die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie und die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg gemeinsam mit der NGO Christliche Initiative Romero den Bieterdialog gestaltet. Eine Zusammenarbeit erleichtert die Verwaltungsarbeit und schafft einen direkt Austausch auch innerhalb der Kommune. Insbesondere für kleinere Kommunen könnte dieses Vorgehen interessant sein.

7

„Es geht um gesellschaftliche Bewusstseinsschaffung in den Bezirken und Kommunen in einer Zeit, in der erhebliche gesellschaftliche Umbrüche bevorstehen“. Eine konstruktive und ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Senat ist dazu sehr wichtig. Oliver Schruoffeneger zeigte sich begeistert, wie gut die Zusammenarbeit zwischen Landes- und Bezirksverwaltung und Zivilgesellschaft bei der Überarbeitung der Musterausschreibung funktionierte und motivierte alle Beteiligten, in diesem Geiste weiterzuarbeiten.

Ansprechpartner:in
Senatsverwaltung Berlin& Initiative Romero e.V. (CIR)
Berlin, kamppeter@ci-romero.de in Münster

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