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Wie gestalte ich einen Ausschreibungsprozess mit Bürgerbeteiligung?

Bei Bauvorhaben ist ein Verfahren bereits Pflicht, aber Bürgerbeteiligung kann mehr! Sie bietet die Chance, Prozesse in der eigenen Kommune partizipativ und integrativ zu gestalten. Die Ergebnisse sind vielerorts eine bessere Einbindung der Bürger:innen in die Kommune, die Förderung von Engagement aus der Gesellschaft und nicht zuletzt bessere Ergebnisse für alle. Lesen Sie hier, wie und wofür Bürgerbeteiligung auch in kleineren Kommunen zielführend eingesetzt werden kann!

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Foto von Ismael Paramo

Bürgerbeteiligung ist vielerorts vor allem als formelle Beteiligung verbreitet, welche gesetzlich vorgeschrieben ist, beispielsweise für Bauleitplanung (§3 BauGB). Damit wird sichergestellt, dass die Öffentlichkeit informiert wird und mitbestimmen kann.

Darüber hinaus stehen Kommunen viele Methoden der informellen Beteiligung zur Verfügung. Damit können die formellen Prozesse erweitert werden, indem Bürger:innen beispielsweise früher und intensiver in den Planungsprozess eingebunden werden. Außerdem können Städte und Gemeinden freiwillig entscheiden, Bürger:innen in Vorhaben und Projekte einzubinden. Dies kann beispielsweise bei komplexen oder konfliktbehafteten Themen sehr sinnvoll sein und zu guten Ergebnissen führen.

Praxisbeispiel

Die Ausschreibung für die Kita- und Schulversorgung der Kommune Eberswalde wurde unter anderem mit Beteiligung von Eltern, Kindern, Erzieher:innen und Kreiselternbeirat neu gestaltet. In mehreren Befragungsrunden wurden die Bedarfe der Bürger:innen für das zukünftige Essensangebot in den Kitas und Schulen diskutiert. So fand unter anderem der Wunsch nach einem hohen Bioanteil bei Gemüse Eingang in die Ausschreibung. Im Ergebnis nahmen beispielsweise die Beschwerden zum Schulessen spürbar ab und die Eltern sind insgesamt zufriedener.

Gute Gründe für Bürgerbeteiligung in Kommunen

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Demokratie & Inklusion

Demokratie auf allen Ebenen leben und allen Menschen Teilhabe ermöglichen, dieser Gedanke ist zentral bei der Beteiligung von Bürger:innen. an. Entsteht ein fairer, gleichberechtigter Dialog zu Vorhaben und Prozessen, die Bürger:innen direkt betreffen, bringt dies mehr gegenseitiges Verständnis und Vertrauen. Dies kann Engagement in der Zivilgesellschaft neu beleben.

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Qualität steigern

Jede:r ist Expert:in für die eigene Perspektive. Verschiedene soziale Hintergründe, Altersunterschiede und Kenntnisse lokaler Gegebenheiten sind nur einige Beispiele für solche Perspektivunterschiede. Kein Wunder, dass die Einbeziehung vieler verschiedener Menschen die Qualität der Ergebnisse maßgeblich verbessert. Leistungen können passgenau auf die Bedürfnisse der Bürger:innen zugeschnitten werden und neue, innovative Ideen finden Eingang in Konzepte.

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Akzeptanz erhöhen & Ressourcen schonen

Die Durchführung von Prozessen mit echter Bürgerbeteiligung steigert die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse, wenn Bürger:innen ernsthaft gehört und einbezogen werden. Dabei können bestehende Sorgen und Konflikte sichtbar gemacht und öffentlich ausgehandelt werden. Neuen Konflikten und Wiederstand wird vorgebeugt, wenn Bürger:innen früh beteiligt werden. Trotz der höheren anfänglichen Investitionen können dabei auf lange Sicht zum Beispiel Beschwerden reduziert, Proteste vermieden und Fehlplanungen verringert werden!

Wie kann ich als Kommune Bürger:innen beteiligen?

Vier Stufen der Bürgerbeteiligung mit Anwendung auf das Beispiel Ausschreibung Schulversorgung

Beteiligung ist nicht gleich Beteiligung! Je nach Zielsetzung können unterschiedliche Ebenen der Mitbestimmung sinnvoll sein: Von der Information über Konsultation und Kooperation bis hin zu Koproduktion oder mitgestaltender Beteiligung. Verschiedene Gruppen können Einbeziehung auf unterschiedlichen Ebenen erfordern.

Bei der Ausschreibung öffentlicher Leistungen kann die Bürgerbeteiligung beispielsweise für eine gemeinsame Entwicklung der Leistungsbeschreibung oder Gestaltung eines Spielplatzes mit Kinderbeteiligung eingesetzt werden. Das Ziel der Beteiligung sollte von Anfang an transparent gemacht werden.

Wie gelingt Bürgerbeteiligung in meiner Kommune?

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Was verstehen wir unter Büger:innenbeteiligung und wie zentral sollen welche Gruppen beteiligt werden? Um dies zu entscheiden, können die folgenden Fragen hilfreich sein: Was ist überhaupt das Ziel des Prozesses? Für welche Gruppen ist eine Beteiligung an diesem Thema wie relevant? Wie viele Ressourcen (zeitlich, personell, finanziell) stehen für die Umsetzung zur Verfügung? Welche realistischen Gestaltungsspielräume gibt es bei dem Projekt (noch)?

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Ein Prozess mit Bürgerbeteiligung ist lohnend aber aufwendiger als klassische Prozesse. Die Beteiligung muss frühzeitig angestoßen werden und neben der Organisation der Formate muss z.B. auch die Auswertung der Ergebnisse eingeplant werden. Zeitliche, personelle und monetäre Ressourcen müssen vorhanden sein. Für viele Bereiche, beispielsweise professionelle Moderation von Formaten, kann man externe Unterstützung hinzuziehen.

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Verschiedene Gruppen nutzen unterschiedliche Kanäle, um sich zu informieren und sollten auch dort aufgesucht werden. Sollen möglichst viele Gruppen angesprochen werden, eignet sich eine Ansprach über unterschiedliche Kanäle: Lokalzeitung, Radio, Auslagen und Aushänge von (mehrsprachigen) Plakaten, Flyern und Postkarten, Nutzung von Websites und Social Media (Facebook, Instagram, Twitter usw.) oder auch persönliche Anschreiben. Besonders großen Effekt hat die persönliche Ansprache, z.B. in Fußgängerzonen oder bei Nachbarschaftstreffen.

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Je nach Zielen und Art der Beteiligung kommen verschiedene Formate infrage. Weit verbreitet ist die Informationsveranstaltung, die aber eher informiert als Mitbestimmung ermöglicht. Umfragen ermöglichen eine breite aber eher oberflächliche Einbeziehung vieler Personen, während für stärkere inhaltliche Mitbestimmung Workshops und Zukunftswerkstätten durchgeführt werden können, z.B. mit einem World-Café-Format. Auch zufällig gewählte Bürgerräte, Arbeitsgruppen und Ideenwettbewerbe bieten spannende Perspektiven. Um artikulationsschwache Gruppen einzubeziehen, kann beispielsweise eine flankierende Kinderbetreuung oder eine Aufwandsentschädigung mitgedacht werden. Weitere Ideen für die praktische Umsetzung haben wir in dem am Seitenende verlinkten Tool zusammengetragen.

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Es ist wichtig, dass die Teilnehmenden von Anfang an wissen, wann und in welcher Form sie sich beteiligen können und vor allem, auf welche der Entscheidungen sie tatsächlich einen Einfluss haben können. Das vermeidet später Frustration und Wiederstand. Zeitplan, Ziele, sowie Elemente und Spielregeln der Beteiligung sollten daher klar kommuniziert werden. Während und nach Abschluss des Verfahrens helfen regelmäßige Status-Updates den Bürger:innen, das Vorgehen nachzuvollziehen. Zudem sollte die durchführende Stelle offen für Feedback zum Konzept sein.

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Eine erfolgreiche Bürger:innenbeteiligung steht und fällt mit der Ernsthaftigkeit der Einbindung. Schein-Partizipation, bei der die Bürger:innen keinen wirklichen Einfluss auf die Ergebnisse haben, wird schnell als Manipulation verstanden und kann somit erst recht Wiederstand erzeugen. Es sollte also vermieden werden, Mitbestimmung zu suggerieren, wenn das Projekt keinen entsprechenden Handlungsspielraum hergibt oder nur von einem vorhandenem Plan überzeugt werden sollen (siehe Partizipationsleiter).

 

Tool

In diesem Tool finden Sie weitere nützliche Ressourcen und Handlungshilfen für die Umsetzung von Bürger:innenbeteiligung, inklusive eines Brandenburger Praxisbeispiels und einem Kurs mit digitalem Fokus.

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