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Umweltbezogene und soziale Zuschlagskriterien in der Leistungsbeschreibung

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Eine Möglichkeit, seine Beschaffungsvorhaben in der Kommune nachhaltiger zu gestalten, ist die Anwendung von umweltbezogenen und sozialen Qualitäts- und Zuschlagskriterien in der Leistungsbeschreibung.  

Umweltbezogene Zuschlagskriterien können zum Beispiel Recyclingfähigkeit, Energieeffizienz, Ressourcenschonung, Klimaschutz, Biodiversität oder Bioqualität in Lebensmitteln sein.
Soziale Kriterien zielen auf die Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten ab. Sie können beispielsweise die Berücksichtigung von Inklusion, Schaffung von Arbeitsplätzen für am Arbeitsmarkt marginalisierte Gruppen, Berücksichtigung von fairen Lieferketten oder die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO Kernarbeitsnorm) sein.  

Die Anwendung von ökologischen und sozialen Kriterien in der Leistungsbeschreibung ist eine aktive Umsetzung von nachhaltiger Beschaffung und verbessert die Chancen für Sozialunternehmen sich auf Ausschreibungen der öffentlichen Hand zu bewerben.

Im Folgenden werden einzelne Anwendungsmöglichkeiten für Regionalität & Klimaschutz, Bioqualität in Lebensmitteln und Einkauf von fairer Kleidung beschrieben.  

Aufgepasst! / Bild

Aufgepasst!

Dabei ist wichtig zu beachten, Muster und Standards für Vergabekriterien anzusetzen ist vergaberechtlich schwierig, da sich jede Ausschreibung und Leistungsbeschreibung voneinander unterscheiden und damit sehr individuell zu betrachten sind. Hinzu kommt, dass die Vergabegesetze in den verschieden Bundesländern nicht gleich sind. Die hier vorgebrachten Vorschläge für die Anwendung von ökologischen und sozialen Kriterien sind an die jeweilige Ausschreibung und Leistungsgegenstand individuell anzupassen und rechtlich zu verifizieren.


Welche Vergaberechtlichen Grundlagen gibt es in Brandenburg?  

Beispielsweise nennt das brandenburgische Vergabegesetz folgende strategisch nachhaltige Aspekte, die nach dem Brandenburgischen Vergabegesetz (BbgVergG) dienen und in Ausschreibungen einbezogen werden sollen.  

  • die Vereinbarung von Mindestarbeitsentgelten wie den brandenburgischen Vergabemindestlohn bei öffentlichen Aufträgen, 
  • Unterstützung bestimmter Bietergruppen wie: 

  • die Schaffung von Ausbildungsplätzen, 
  • die Förderung von Frauenarbeitsplätzen, 
  • die Mittelstandsförderung, 
  • die Beschaffung energieeffizienter und ressourcenschonender Produkte und Leistungen, 
  • die Einbeziehung von „fair trade“ 

Dieses 2. Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Vergaberechts ist am 13. April 2021 verkündet worden. Es macht für Auftraggeber, die an § 55 LHO gebunden sind, seit dem 1. Mai 2021 aus der Kann-Bestimmung zur Berücksichtigung von Aspekten der Qualität, Innovation, sozialen und umweltbezogenen Aspekten, eine Soll-Vorgabe.  


Wie kann eine Umsetzung für die Berücksichtigung von Regionalität & Klimaschutz aussehen?

Durch minimierte Transportwege für verschiedene kommunale Dienstleistungen, wie Anfahrt von Handwerker: innen für Reparaturleistungen, Transport von Lebensmitteln und Gerichten für die Kita- und Schulversorgung können CO2 Emissionen eingespart werden. Damit kann die Berücksichtigung von Regionalität einen Beitrag zur Reduktion des CO2 Fußabdrucks ihrer Kommune leisten. Zusätzlich wird dadurch die regionale Wertschöpfung gefördert.  

Eine große Herausforderung hierbei ist, dass Regionalität aus rechtlichen Gründen nicht in die Leistungsbeschreibung für öffentliche Ausschreibungen als Kriterium mit aufgenommen werden darf, da sonst Wettbewerbsverzerrung vorliegt.  

Regionalität kann beispielsweise über den Aspekt des Klimaschutzes in Ausschreibungen berücksichtigt werden. Für den Bereich Ernährung sind beispielsweise folgende Formulierungen für die Bewertung anhand der Zuschlagskriterien in ähnlicher Form möglich:

Warmhaltzeiten (Zeit zwischen Ende der Essenszubereitung und Ende der Ausgabe für jede Einrichtung durch Darstellung der Zeiten, unterteilt in „Produktion im Werk, Verladen/Verpacken“ und „Transport“ etc.):

< 2 Std. = 5 Punkte; 2 Std. – 2 Std. 15 Min. = 4 Punkte; 2 Std. 15 Min. < 2 Std. 30 Min. = 3 Punkte;  2 Std. 30 Min. – < 2 Std. 45 Min = 2 Punkte; 2 Std. 45 Min.- 3 Std. = 1 Punkt

Oder für  

Transportwege: <1hStd = 5 Punkte, 1 Std. – 1 Std. 15min =4 Punkte, <1Std.30Min. = 3 Punkte, 1Std 30 Min – 1Std 45Min = 2 Punkte , 1Std 45Min – 2Std = 1 Punkt 

Diese Punkte können, um den Klimaschutz und den Gedanken dahinter sichtbarer zu machen, zum Beispiel „Klimapunkte“ genannt werden.

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Warum wird durch kurze Warmhaltezeiten und Transportwege Regionalität berücksichtigt und Klimaschutz umgesetzt?

Durch die Warmhaltezeit oder den Transportweg lässt sich indirekt Regionalität mit in die Ausschreibung einbringen. Durch kürzere Warmhaltezeiten vor Ort werden Energie und CO2 eingespart. So wird ein Beitrag für den Klimaschutz geleistet. Durch kurze Transportwege wird ebenfalls CO2 eingespart. In der Bewertung werden dann für kürzere Wege und kürzere Warmhaltezeit mehr Punkte vergeben, so dass hier die Regionalität und natürlich gleichzeitig auch Klimaschutz berücksichtigt werden können.  

Praxisbeispiel Eberswalde

Unser Praxisbeispiel aus der Kommune Eberswalde stellt eine Ausschreibung für die Essensversorgung der Kita- und Schulversorgung vor, wo diese Kriterien berücksichtigt wurden.


Wie kann eine Umsetzung für die Berücksichtigung von Bioqualität in Lebensmitteln aussehen?  

Die Essensversorgung in Kitas und Schulen richtet sich nach den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE-Qualitätsstandards). Im allgemeinen werden diese Standards als Grundlage für die Gestaltung der Essensversorgung genutzt. Bioqualität ist neben vielen Vorgaben zu Lebensmittelqualität, Anteilen an Vollkornprodukten, Häufigkeit von frischem Obst und Gemüse und vielem mehr, ein Teil der DGE-Qualitätsstandards aber keine Pflicht.  

Als ökologisches Qualitätskriterium wird Bioqualität zu Anteilen für verschiedene Lebensmittel in der Essensversorgung in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt. Ökologisch deshalb, weil der Anbau von ökologischen Lebensmitteln einen Beitrag zum Schutz der Biodiversität und zum Klimaschutz leistet.

Die Anwendung in Ausschreibungen für die Essensversorgung in kommunalen Einrichtungen, wie Kitas und Schulen ist mittlerweile weit verbreitet. Dabei können verschiedene Umsetzungen entweder in den Qualitätsanforderungen für die Ausschreibung und für die Zuschlagskriterien angewandt werden.  

Das Praxisbeispiel Eberswalde hat gezeigt, dass verschiedene Produktgruppen unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen. Beispielsweise war es schwierig einen passenden Biobrothersteller zu finden, der nicht durch lange Anfahrtswege wiederum klimaschädlich ist und der zudem die Vorgaben der Leistungsbeschreibung erfüllen kann.  

Die Berücksichtigung für Bioqualität kann zum Beispiel für Sättigungsbeilagen, Gemüse- und Obst, Fleisch oder Getreideprodukte als Qualitätskriterium berücksichtigt werden. Das kann als Qualitätskriterium folgendermaßen aussehen:

Verpflegungsqualität und Versorgung für zwei verschiedene Varianten, für die jeweils ein getrenntes Angebot anzugeben ist.  

  • Variante I: Produkte aus biologischem Anbau sind mindestens 100 % bei  der Lebensmittelgruppe „Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln“ zu verwenden; oder  
  • Variante II: Produkte aus biologischem Anbau sind mindestens 100 % bei der Lebensmittelgruppe „Gemüse und Salat“ anzuwenden.

Die Bioqualität könnte auch nur für eine der Produktgruppen angewandt werden. Wichtig ist der Umfang beider Produktgruppen: „Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln“ umfasst alle Beilagen von Reis, über Nudeln, über Brot für das Abendbrot bis hin zu Kartoffeln in 100% Bioqualität. Um herauszufinden, ob die Bieter:innen diese Leistung anbieten können, ist ein Bieterdialog oder eine Markterkundung möglich. 100% Bioqualität kann für eine große Anzahl von zu versorgenden Schüler:innen und Kitakindern eine Herausforderung darstellen.  

Eine weitere Formulierung für Leistungsbeschreibung könnte zum Beispiel sein:  

Getreide, Getreideprodukte und Kartoffeln stammen zu mindestens X Prozent aus biologischer Landwirtschaft nach der Verordnung (EU) 2018/848 für den ökologischen Landbau und den dazugehörigen Durchführungsregelungen.

Diese Formulierung kann auf verschiedenste Lebensmittel angewandt werden und ist auch für Fleisch oder Fisch denkbar. Wichtig ist hier genauso wie bei einem Bioanteil von 100% die Machbarkeit in der Region oder Kommune. Beispielsweise können eine Markterkundung oder ein Bieterdialog dabei helfen, diese richtig einzuschätzen.  

Wie kann Bioqualität in den Zuschlagskriterien bewertet werden? 

Je nach Bewertungsmatrix ist der Prozentsatz unterschiedlich hoch, mit dem die Qualität oder das entsprechende umweltbezogene Zuschlagskriterium bewertet wird. Um einem ökologischen Zuschlagskriterium beziehungsweise mehreren sozialen oder umweltbezogenen Kriterien mehr Gewicht als dem Preis einzuräumen, sollte der Anteil bei mehr als 50% liegen, besser bei etwa 60%. Dabei kann sich die Bewertungsmatrix aus unterschiedlichen umweltbezogenen und sozialen Kriterien zusammensetzen und der Preis zum Beispiel mit einer Gewichtung von 40% bewertet werden.

Im oben verlinkten Praxisbeispiel aus Eberswalde, das hier als Inspiration für die Anwendung des Bioanteils als Kriterium genutzt wurde, wurde die Qualität mit 40% bewertet. Hinzu kam ein weiteres umweltbezogenes Kriterium zur Bewertung der Transportwege. Wichtig hierbei ist, dass die Qualitätsbewertung nicht nur den Bioanteil, sondern auch Geschmack, Speiseplangestaltung sowie einen Vorschlag für ein Bildungsprojekt enthielt. Die Bewertung in Eberwalde wurde wie folgt vorgenommen:

Preiskriterium (Gewichtung 40%)  

Für den Preis wurden maximal 5 Punkte vergeben. Grundlage ist der gesamte Preis pro Los. Alle Preise werden ins Verhältnis gesetzt. 

Qualitätskriterium (Gewichtung 40%) 

Die Qualität wurde von einer Arbeitsgruppe bewertet. Dabei wurde der Mittelwert aus den Einzelbewertungen gewonnen. Maximal konnten 5 Punkte vergeben werden.

Für die Bewertung der Qualität gab es ein Probeessen, der Geschmack wurde bewertet, die Speiseplangestaltung und ein Konzept für Bildungsangebote sollte abgegeben werden. Zusätzlich waren Nachweise für die Einhaltung der Bioanteile mit Biozertifikaten zu erbringen. 

Warmhaltzeiten (Gewichtung 20%) 

Für die Warmhaltezeiten gab es Klimapunkte, da hierdurch kurze Wege CO2 Emissionen eingespart werden können. 

  • 5 bis 3 Klimapunkte: Kleiner als 2 Stunden = 5 Punkte, 2 Stunden – 2 Stunden 15 Minuten = 4 Punkte, 2 Stunden 15 Minuten –  2 Stunden 30 Minuten = 3 Punkte 
  • 2 bis 1 Klimapunkt: 2 Stunden 30 Minuten – 2 Stunden 45 Minuten = 2 Punkte, 2 Stunden 45 Minuten – 3 Stunden = 1 Punkt 

Wie kann die ILO-Kernarbeitsnorm in Bezug auf die Beschaffung von fairer Berufskleidung für Mitarbeiter:innen in Kommunen berücksichtigt werden?

Die ILO-Kernarbeitsnorm setzt verschiedene Grundprinzipien an, die sich dann in 10 verschiedenen Kernarbeitsnormen inhaltlich wiederfinden. Die Grundprinzipien sind:  

  • Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen 
  • Beseitigung der Zwangsarbeit 
  • Abschaffung der Kinderarbeit 
  • Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf 
  • Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit 

Viele kleinere und größere Kommunen haben bereits einen Ratsbeschluss zur Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnorm für Ihre Beschaffungsvorhaben.  


Wie kann faire Kleidung in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt werden? 

  • Label/Zertifikate;
  • Markterkundung für die jeweiligen Produkte;
  • Beispielformulierung für Qualitätsvorgaben und oder Zuschlagskriterien in der Leistungsbeschreibung.

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